Private Schulgründung in der Marktstraße und Neubau des „Affenkastens“

Die Existenz der Schule verdankt sich zunächst einmal dem privaten Engagement führender liberaler Bürger Ravensburgs, die ihren Töchtern eine höhere Bildung ermöglichen wollten. Keine berufs- oder studienqualifizierende Bildung, sondern nach den Vorstellungen der Zeit, eine, die sie zu kompetenten und tüchtigen Gattinnen und Müttern bilden sollte: Deutsch und Literatur, Rechnen und auch Buchführung, Englisch und Französisch, Welt- und Kunstgeschichte, Physik und Chemie, Schönschreiben, Zeichnen, Singen, Turnen und Handarbeiten und natürlich auch Religion, waren die Fächer, die die Mädchen zwischen 7 und 16 Jahren von der ersten bis zur 9. Klasse lernen sollten.

Warum eine private Schule mit dem Elternrat als Schulträger? Der Gemeinderat der Stadt sah keine Notwendigkeit für eine Lehranstalt für höhere Mädchenbildung, obwohl im 19. Jahrhundert vielerorts in Württemberg bereits solche Schulen gegründet worden waren. Es gab in Ravensburg natürlich Elementarschulen für Mädchen und auch das damals konfessionell exklusive katholische "Klösterle", das, so fand der Gemeinderat, sollte reichen. Auch das Land, das Königreich Württemberg, hatte die höheren Mädchenschulen zwar unter seine Aufsicht genommen und förderte sie auch, die Gründung jedoch war privatem oder kommunalem Engagement überlassen.Die Väter von 25 Mädchen, allesamt aus den höheren Schichten der Gesellschaft, Kaufleute und Fabrikanten, Vertreter der freien Berufe, höhere Beamte und Offiziere, fanden sich unter der Leitung des Rechtsanwaltes Eugen Mezler 1887 zusammen um dem Mangel Abhilfe zu schaffen. Konfessionsübergreifend war diese Gruppe engagierter Bürger, auch das gehörte in der gemischtkonfessionellen Stadt zum fortschrittlichen Selbstbild dieser Gruppe. Finanziell und organisatorisch war die Schulgründung kein einfaches Unterfangen, zunächst unterrichteten ein Lehrer, Hauptlehrer Thumm, gleichzeitig Schulvorstand und eine Lehrerin, Emma Schuler, fast alle Fächer, bis Fachlehrer nebenamtlich aus anderen Schulen in Ravensburg gewonnen werden konnten.

Der „Affenkasten“

Im Obergeschoss der Marktstr. 20 in der Ravensburger Oberstadt hatte die Schule ihren ersten Sitz für die ersten 25 Schülerinnen, die von 40-100 Mark Schulgeld im Jahr zahlen mussten. 100 Mark, das war in etwa das Monatseinkommen einer Arbeiterfamilie. Um in den Genuss staatlicher Förderung zu gelangen, musste die Schule sich auch den Anforderungen der staatlichen Schulaufsicht an höhere Mädchenschulen gewachsen zeigen, was ihr auch gelang. Trotz stetiger finanzieller Schwierigkeiten, trotz fehlender Unterstützung durch die Kommune und trotz der Anfeindungen beider Kirchen, die die Simultanschule als "religionslos" attackierten, gelang es der Schule, sich in Ravensburg zu etablieren: Die Zahl der Schülerinnen stieg in den ersten 10 Jahren auf über 100 an und schon 1889 konnte der - von der Elternschaft finanzierte -Neubau in der Kapuzinerstraße, der sogenannte "Affenkasten" (heute Stadtarchiv), bezogen werden, das allerdings nicht nur von Schülerinnen, vielmehr nahm die Schule bis zur Kommunalisierung 1922 aus finanziellen Gründen auch Knaben in die Elementarschulklassen auf.

Mit der Umwandlung zur "Realschule" 1903 eröffnete sich den Mädchen in Ravensburg auch - mit der Prüfung zur "mittleren Reife" - erstmals der Weg zum Abitur, da sie mit diesem Zeugnis an ein Realgymnasium für Knaben übergehen konnten, um dort die Hochschulreife zu erlangen. Ein 10. Schuljahr musste eingeführt, die Lehrpläne an die der Realschule für Knaben angepasst werden, was eine stärkere Betonung der Naturwissenschaften zulasten der Sprachen bedeutete.

In der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem 1. Weltkrieg stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler zwar auf 280, die Elternschaft aber war an die Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit geraten (Schulgeldeinnahmen von 30.000 Mark standen Ausgaben von 135.000 gegenüber). Dazu kam, dass 1920 die 4-jährige Grundschule im Land verbindlich eingeführt wurde, was bedeutete, dass die Elementarklassen der Schule aufgelöst werden mussten. Der Elternrat zog daraus die Konsequenz und stellte an den Gemeinderat den Antrag, die Schule in die Trägerschaft der Gemeinde zu überführen, zu kommunalisieren. Nach langen Verhandlungen willigte die Stadt ein und am 1. Mai 1921 übernahm die Stadt die Trägerschaft der Mädchenrealschule.