Städtische Schule im Spohn-Gebäude und Oberschule für Mädchen im Dritten Reich
Da das Haus in der Kapuzinerstraße, auch "Affenkasten" genannt, nun endgültig zu klein geworden war, zog die Schule 1921 mit zunächst drei Klassen und 1924 schließlich vollständig als Gast bei den Knaben ins Spohn-Gebäude um. Aber nach dem explosiven Anstieg der Schülerinnenzahl bis in das Jahr 1920 ging diese in den Folgejahren stetig zurück. Grund hierfür war die Einführung der vierjährigen Grundschulen (1920), welche eine sukzessive Auflösung der Elementarklassen (Grundschulklassen) der Mädchenschule zur Folge hatte. Zudem ging eine verstärkt einsetzende Werbung der katholischen Geistlichkeit der Stadt für den Besuch der katholischen Privatschule "Klösterle" zu Lasten der Mädchenrealschule. Die städtische Mädchenrealschule, die seit April 1928 von Dr. Benedikt Bentele geleitet wurde, stand in diesen Jahren unter enormen finanziellen Druck und musste der Auflösung mangels Schülerinnen entgegensehen.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 veränderte sich die politische Gesamtszene dramatisch. Als totalitäre Herrschaftsform und alle Lebensbereiche beanspruchende Ideologie drang der Nationalsozialismus auch in den schulischen Bereich ein. Ein übergeordneter Gesichtspunkt und wichtige Aufgabe war hier die Schaffung eines Einheitsschulsystems. Was man wollte, war die Deutsche Oberschule für Jungen und die Oberschule für Mädchen, wobei strikte Trennung von Jungen und Mädchenerziehung zu einem entscheidenden Prinzip erhoben wurde. Denn wo der Leitsatz galt, die Frau finde ihre Verwirklichung im Haus und als Mutter, da musste schon die Mädchenbildung grundlegend anders geartet sein als die der Jungen. Die praktischen Konsequenzen wurden in Ravensburg teilweise zunächst relativ spät gezogen. So besuchten die Mädchen bis 1942 die Oberklassen der Oberschule für Jungen, um zum Abitur zu gelangen. Ein den Nationalsozialismus prägender nationaler Akzent in der Erziehungsarbeit wurde in der Mädchenrealschule Ravensburg unter der Leitung von Dr. Bentele schon früh umgesetzt.
In das Jahr 1937 fällt ein Geschehen, das einer schmerzlichen Tragik nicht entbehrt: Als staatspolitische Maßnahme wurde die Schließung des "Klösterle", die als Privatschule konfessionellen Charakters keinen Platz im nationalsozialistischen System hatte, vorgenommen. Der Untergang des Konkurrenten bedeutete aber für die staatliche Mädchenschule die sichere und endgültige Rettung. Die Nöte der Mädchenschule verkehrten sich von da an sogar in Gegenteil: Der Übertritt der "Klösterle-Schülerinnen" bewirkte unmittelbar das Anwachsen der Schülerinnenzahl von 120 auf einen organisatorisch und räumlich nicht leicht zu bewältigenden hohen Stand von 250 Schülerinnen.
Mit dem Schuljahr 1938/39 bekam der nationalsozialistische Einheitslehrplan "Erziehung und Unterricht" an allen Schulen des Reiches Gültigkeit. In dessen Folge wurde die Mädchenrealschule in "Oberschule für Mädchen" umbenannt. Die Realschulzeit von sechs Jahren wurde auf fünf Jahre verkürzt, wobei anstelle der sechsten Klasse eine einjährige Frauenschulklasse angeschlossen wurde.
Da der neue Lehrplan aus ideologischen Gründen eine strikte Trennung von Jungen- und Mädchenschulen vorsah, forderte Dr. Bentele schon 1938 den Ausbau der Schule zu einer Vollanstalt, d.h. zu einer Schule, die mit Abitur abgeschlossen werden kann. Geldmittel hierfür genehmigte die Stadt nach vier Jahren. Im Jahr 1942 begann der Ausbau der Oberstufe in der hauswirtschaftlichen Form. Erstmals verließen im Februar 1944 14 Schülerinnen die Schule nach Ablegen der Reifeprüfung. Diesem Ereignis konnte durch die außerordentlich erschwerte Situation in der letzten Kriegsphase keine große Aufmerksamkeit zuteil werden und der Weg der Abiturientinnen führte zum Reichsarbeitsdienst oder zu anderen Kriegsdiensteinsätzen. Insgesamt war die Schule in den Kriegsjahren kaum mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage. Die Schülerinnen und auch deren Lehrkräfte waren in immer stärker werdendem Maße von außerschulischen Diensten in Anspruch genommen. Hierzu zählen Einsätze und besondere Aufgaben in der Hitlerjugend, bei den Mädchen BdM und JM. Immer umfangreicher und häufiger wurden die Aktivitäten der Jugend- und der NSDAP- Hilfsorganisationen in den Kriegsjahren, da durch den Einsatz der Schuljugend sowohl aufkommende Not gelindert, als auch die Kriegswirtschaft unterstützt werden musste. Sammlungen verschiedenster Art, ob Spenden oder Materialsammlungen, auch Arbeitseinsätze in der Landwirtschaft, außerdem politische Schulung in Württemberg, als auch nationalpolitische Lehrgänge für ältere Schüler und Schülerinnen, die seit 1937 verbindlich waren, all dies beeinträchtigte den Unterricht der Schule ganz erheblich. In den härteren Kriegswintern dezimierten "Kohleferien" den Schulbetrieb, und die beiden letzten Kriegsjahre ließen durch verstärkte Luftschutzmaßnahmen bei Luftschutzwarnungen kaum mehr geordneten Unterricht zu, erst recht dann nicht mehr, als das Spohn-Gebäude in den letzten Kriegswochen als Lazarett diente und die Klassen auf verschiedene Häuser im Stadtrandgebiet verteilt wurden. Kurz vor dem Einrücken der französischen Truppen im April 1945 brach der Schulunterricht überall vollends zusammen. In diesem Jahr verließen die Mädchen die Schule nur mit einem Reifevermerk ohne Prüfung.